Zwei Demonstrantinnen liegen auf dem Boden

Emotionaler Protest im Liegen: ME/CFS-Demo in Dortmund

Stand: 11.05.2025, 17:26 Uhr

Dieser Protest ist ungewöhnlich: In ganz Deutschland legen sich Menschen bei "Liegend-Demos" auf den Boden, weil es vielen Betroffenen der komplexen Krankheit genau so geht. Sie werden plötzlich aus dem Leben gerissen und haben für den Alltag keine Kraft mehr.

Von Sebastian TischkovSebastian Tischkov

Elias möchte wieder Freunde treffen. Fußball spielen. Zur Schule gehen. Oder gemeinsam mit der Familie am Tisch essen. Es sind die kleinen Dinge, die für ME/CFS-Betroffene zu ganz großen Dingen werden. Eine Krankheit, die man kaum begreifen kann, wenn man nicht selbst Betroffene im Umfeld hat.

Seine Mutter Anne Schneider hat seine Wünsche auf ein Stück Pappe geschrieben. Sie ist extra aus Niedersachsen nach Dortmund gekommen, denn ihr Sohn selbst kann nicht mitdemonstrieren. Ihm fehlt schon für einfachste Alltagsaufgaben die Kraft. Da ist an eine Demonstration gar nicht zu denken.

Emotionaler Protest im Liegen: ME/CFS-Demo in Dortmund

WDR Studios NRW 12.05.2025 00:51 Min. Verfügbar bis 14.05.2027 WDR Online


Er hat gestern Abend gesagt: 'Oh, ich würde auch so gerne mal wieder mit euch grillen'. Das kann er gerade nicht, das wird er aber wieder tun können. Anne Schneider, Mutter von Elias

Wie in einem Käfig muss er in einem völlig verdunkelten Zimmer schlafen. Bettlägerig mit 18 Jahren - das ist für Betroffene oft bittere Realität. Bei Elias schon seit zwei Jahren.

Kein soziales Leben mehr durch ME/CFS

"Er hat seit fast zwei Jahren keinen Freund mehr gesehen. Sport, Musik machen - alles was er geliebt hat. Backen, Kochen. All das ist nicht mehr möglich", erklärt sie. Nach einer Corona-Infektion ist ME/CFS bei dem 18-Jährigen ausgebrochen. Erst milde, dann wurde es immer schlimmer.

Long Covid und ME/CFS - akustisch reduzierte Fassung

Dok 5 - Das Feature 27.10.2024 51:34 Min. Verfügbar bis 26.10.2029 WDR 5 Von Nicolas Morgenroth


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Wir brauchen viel mehr Forschung. Damit die Zeit mit der Krankheit deutlich kürzer gehalten wird. Für ihn und alle anderen. Anne Schneider, Mutter von Elias
Eine Demonstrantin liegt auf dem Boden

Sonnenbrille und Kopfhörer werden zum Muss: Viele Betroffene sind licht- und schallempfindlich

Die Weltgesundheitsorganisation hat ME/CFS schon vor Jahrzehnten als neurologische Erkrankung eingestuft. In Deutschland gibt es aber erst seit gut fünf Jahren finanzielle Unterstützung für die Forschung.

Schwierige Diagnostik bei ME/CFS

Das ist bitter nötig: Bis heute ist nicht klar, was die genaue Ursache der Krankheit ist. Oft bricht sie nach Infektionen wie Corona, Pfeifferischem Drüsenfieber oder Borreliose aus. Weil es auch keine Heilungsmethode gibt, kann Betroffenen oft nicht richtig geholfen werden.

Deswegen wollen Angehörige immer weiter im Liegen demonstrieren. Sie wollen von der Gesellschaft, Politik und Medizin gehört werden. Sie wollen, dass für bessere Forschung mehr Geld in die Hand genommen wird. Und am Ende wollen sie, dass die Erkrankten endlich wieder gesund werden.

Lemon Challenge soll Krankheit ME/CFS bekannter machen

Lokalzeit aus Dortmund 27.12.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 27.12.2026 WDR Von Sebastian Tischkov

Unsere Quellen

  • WDR-Reporter vor Ort
  • ARD Gesund
  • Deutsche Gesellschaft für ME/CFS

Kommentare zum Thema

6 Kommentare

  • 6 Christina Ader 12.05.2025, 13:35 Uhr

    Es ist gut, dass das Thema bundesweit mehr Präsenz bekommt, es Berichte über Betroffene und die Krankheit an sich gibt. Auch, damit mehr Menschen verstehen, was es heißt, so schwer krank zu sein. Was es bedeutet, allein mit seinen Ängsten, Schmerzen und fehlender Hoffnung zu sein. Ohne die Aussicht, dass sich bald etwas ändert am eigenen Zustand. Weil Gelder fehlen, andere Forschungsprojekte lukrativer erscheinen oder bereits bewilligte Fördergelder gestrichen werden. Weil Krankenhäuser, Pflegedienste, Rettungswagen gar nicht eingerichtet sind auf die Versorgung schwer kranker ME/CFS-Patienten. Ich wünsche mir für meine Tochter und alle, die ihr Schicksal teilen, dass bald etwas geschieht, Medikamente entwickelt und Strukturen errichtet werden, damit dieses furchtbare Leiden gelindert werden kann!!!

  • 5 Runhild Hellmich 12.05.2025, 12:46 Uhr

    Was machen Menschen, die keine pflegenden Angehörigen haben? Das ist augenblicklich meine Situation. Vor zwei Jahren hatte ich die erste Corona-Infektion. Danach ging es mir immer schlechter. Vor 3 Wochen bekam ich die zweite Corona-Infektion. Die Folgen davon sind noch nicht abzusehen. Die Anzahl meiner Diagnosen steigen gerade exponentiell an. Anstatt mir helfen zu lassen, muss ich mich noch um meine demente Mutter kümmern, meine Arbeit schaffen, und und und.... Auf Hilfe für mich warte ich nicht. Die wird es nicht geben. Selbst wenn es mehr Geld gäbe, so fehlen dann doch die Fachkräfte. ME/CFS ist nicht das einzige Problem, bei dem betroffene Personen Hilfe einfordern. Manchmal bitte ich die Menschen in meiner Umgebung um Hilfe. Es sind nur ganz kleine Gefallen wie z.B. weniger Lärm, weniger Licht, kein stinkendes Parfüm zu benutzen, etc. Dann schaue ich in ein Gesicht, dass mir Verständnislosigkeit anzeigt und nichts ändert sich. Viele Grüße von der dunklen Seite des Mondes.

  • 4 Eveline Becker 12.05.2025, 11:23 Uhr

    Danke an alle, die auf diese Erkrankung aufmerksam machen! CFS haben Menschen mit u.a. Diabetes, Multiple Sklerose, Fibromyalgie und Krebs auch. Bei mir ist es die Multiple Sklerose, die die Fatigue mitbringt. (80%gdB) Mit Fatigue kannst Du nichts tun. Außer ein- und ausatmen. Fatigue ist wie wattwandern-nur, daß Du bis zum Hals im Watt steckst. Wenn es noch Phasen dazwischen gibt, wo je nach Fortschreiten der Erkrankung noch irgendwelche kleinen Alltagsdinge möglich sind, wird man nicht ernst genommen. Die Gesellschaft kennt leider oft nur schwarz und weiß. Eine Freundin von mir hat ME/CFS und geht noch 3 Tage die Woche arbeiten. Die restlichen Tage geht nur wenig und schon der "normale Alltag" ist zu viel und die Fatigue schlägt zu. Die Löffeltheorie (Christine Miserandino) wird allen Betroffenen und Interessierten die Erkrankung ein bißchen verständlicher machen! (ist zu viel um es hier zu schreiben!) Allen Angehörigen schicke ich einen Kraftgruß!

  • 3 #BildungmitDiagnose 12.05.2025, 00:52 Uhr

    Und wenn die Erkrankung nicht schon schlimm genug wäre, kämpfen erkrankte Kinder und Eltern häufig mit dem Schulsystem. Von fehlenden Bildungsangeboten für Kinder, die gerne lernen möchten, aber nicht in Präsenz vor Ort sein können bis zu Jugendamtsbesuchen, weil die Kinder die Schulpflicht nicht erfüllen können. Es ist für viele Familien zusätzlich so belastend wie mit ihnen umgegangen wird.

  • 2 Petra Schürmann 11.05.2025, 21:35 Uhr

    Danke, für den Bericht über die Liegend Demo. Meine Tochter ist 28, Studentin, nach Impfung und Corona erkrankt, seit vier Jahren betroffen, wir haben keine Unterstützung bekommen, vieles versucht, was eventuell helfen könnte wir zahlen alles selbst. Mit der Zeit ist es besser geworden, aber nur bedingt, die Energie einer 80 jährigen eben. Sie hat an zwei Studien zu ME/CFS teilgenommen, wir hoffen auf ein Wunder, was ihre Zukunft betrifft, von der finanziellen Lage sieht es schlecht aus. Bitte am Thema dran bleiben und weiter Informieren Vielen Dank!

  • 1 K.Alt 11.05.2025, 21:03 Uhr

    Ich verstehe nicht, wie die Gesellschaft zulassen kann, dass Menschen einfach verschwinden. Das betrifft die Betroffenen selber, aber auch ihre Familien. Wir brauchen dringend Hilfe!