Am Dienstag wurde Friedrich Merz zum zehnten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Aber es war holprig: Merz hat den ersten Wahlgang überraschend nicht gewonnen. Ihm fehlten sechs Stimmen zur absoluten Mehrheit – und er hatte sogar 18 Stimmen weniger als die Koalitionsfraktionen von Union und SPD Abgeordnete haben.
Im zweiten Wahlgang konnte sich Merz dann doch durchsetzen. Aber trotzdem: Der Tag bleibt historisch. Noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist ein Kanzler im ersten Wahlgang durchgefallen.
Merz erst im zweiten Wahlgang erfolgreich
Im zweiten Wahlgang hat Friedrich Merz 325 Stimmen erhalten, also neun mehr als nötig – aber immer noch drei weniger als die Gesamtzahl der Koalitionsabgeordneten. Die Wahl des Bundeskanzlers ist geheim. Es ist also nicht bekannt, wer von SPD und Union nicht für Friedrich Merz gestimmt hat.
Sowohl die Union aus CDU und CSU als auch die SPD weisen die Schuld von sich zurück. Der CDU-Politiker Mathias Middelberg sagt, dass einige Abgeordnete Merz eventuell einen Denkzettel verpassen wollten: "Mein Eindruck ist, dass vielen nicht so ganz klar war, was sie auslösen mit einer Stimme der Enttäuschung oder des Denkzettels. Die haben gedacht, da kommt gleich der zweite Wahlgang hinterher."
Zusammenarbeit von Union und Linken?
Nach stundenlangen Beratungen hatten sich Union, SPD, Grüne und Linke darauf verständigt, am gleichen Tag ein zweites Mal zu wählen. Und das, obwohl die CDU eigentlich jegliche Zusammenarbeit mit den Linken ausgeschlossen hat.

Die CDU lehnt in einem Parteitagsbeschluss "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit" mit der AfD wie mit der Linken ab. Trotzdem: Möglich wurde der zweite Wahlgang, bei dem Merz zum Kanzler gewählt wurde nur, weil Union und SPD mit Grünen und Linken gesprochen haben. Das sagt Birthe Sönnichsen, Reporterin aus dem ARD-Hauptstadtstudio.
Wer hätte das gedacht, dass ein Kanzler Friedrich Merz an dem Tag nur gewählt werden konnte, weil die Linken indirekt dabei geholfen haben? Birthe Sönnichsen, ARD-Hauptstadtstudio
Auf vielen Ebenen war es eine chaotische Woche in Berlin. Und auch, wenn der Bundeskanzler Friedrich Merz schon seine ersten Amtsreisen nach Frankreich und Polen hinter sich hat: Die Koalition aus SPD und Union ist mit einem Rückschlag gestartet. Jetzt bleibt abzuwarten, ob es Misstrauen zwischen den Parteien gibt und ob sie sich aufeinander verlassen können, wenn es um strittige Themen geht.
Im Podcast "nah dran - die Geschichte hinter der Nachricht" erzählen unsere Reporterinnen und Reporter, was sie bei ihren Recherchen erlebt haben. Sie werfen einen Blick hinter die Nachrichten, hören Betroffenen zu und erleben selbst mit, wovon die meisten nur kurz in den wöchentlichen Schlagzeilen lesen. Näher ran als sie kommt niemand - egal ob im Ausland, in der Hauptstadt oder direkt vor unserer Tür in der Region.