Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die gesamte AfD am vergangenen Freitag (02.05.2025) als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Bisher galt das nur für einzelne Landesverbände. Die AfD hat gegen diese neue Einstufung zu Wochenbeginn geklagt, und am heutigen Donnerstag hat das BfV nun eine "Stillhaltezusage" abgegeben.
AfD-Einstufung vorerst auf Eis gelegt. WDR Studios NRW. 08.05.2025. 00:53 Min.. Verfügbar bis 08.05.2027. WDR Online.
Demnach wird der Verfassungsschutz die Bundes-AfD bis zu einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Köln nicht mehr öffentlich als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" bezeichnen. Wann die Entscheidung vom Gericht getroffen wird, ist bisher unklar.
Fragen und Antworten zur Einstufung der AfD
Die Einstufung der Partei durch den Verfassungsschutz hat auch in NRW wieder Diskussionen um ein Verbot der AfD ausgelöst - auch auf Social Media. Die WDR-aktuell-Community bei Facebook und Threads hat uns Fragen geschickt, die wir hier beantworten.
- Warum wurde die AfD "hochgestuft"?
- Wie unabhängig ist der Verfassungsschutz?
- Was kann der Verfassungsschutz jetzt mit der AfD machen?
- Was heißt das für die Partei im Bundestag?
- Was bedeutet die Hochstufung für die Partei in NRW?
- Was bedeutet das für einfache AfD-Mitglieder?
- Hat die Einstufung Einfluss auf ein Verbotsverfahren?
- Wie reagiert die AfD auf die Einstufung?
- Was passiert jetzt mit AfD-Mitgliedern, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind?
Warum wurde die AfD "hochgestuft"?
Es geht vor allem um den "Volksbegriff" der Partei. Laut Verfassungsschutz gibt es in der Partei ein vorherrschendes "ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis". Das bedeutet, dass nicht alle Deutschen mit einem deutschen Pass automatisch gleiche Rechte haben, wie es das Grundgesetz in Artikel §116 vorgibt. Demnach gebe es genug Äußerungen von Parteimitgliedern, die "deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten Volkes" betrachten würden, schreibt die Behörde.
Einfach übersetzt: Für den Verfassungsschutz wird in der AfD zwischen Deutschen erster Klasse und zweiter Klasse unterschieden. Und das widerspricht der Verfassung.
Außerdem wirft der Bundesverfassungsschutz der Partei vor, dass es bis in die Spitze der Partei hinein Kontakte zu rechtsextremen Kräften außerhalb der AfD gibt und auch die Programmatik bei den vergangenen Wahlen im Bund und einzelnen Ländern mit ausschlaggebend war. Dazu wurde auch ein neuerliches Gutachten in Auftrag gegeben, das die Basis für die Entscheidung sein soll.
Verfassungsschutz: gesamte AfD gesichert rechtsextremistisch. WDR Studios NRW. 02.05.2025. 01:39 Min.. Verfügbar bis 02.05.2027. WDR Online.
Die AfD kritisiert dabei, dass sie keine Einsicht in das Gutachten bekommen habe, ebenso wie die Öffentlichkeit nicht. Allerdings waren vorangegangene Gutachten mit der Zeit durch Recherchen von Medien an die Öffentlichkeit gelangt.
Wie unabhängig ist der Verfassungsschutz?
Gerade die Frage nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung hat diese Frage aufgeworfen. Der Bundesverfassungsschutz gehört organisatorisch zum Innenministerium. Dies wurde bis Anfang dieser Woche von der SPD geführt - die SPD-Innenministerin Faeser hat die Hochstufung am Freitag bei einer Pressekonferenz vorgestellt. In dieser Woche - zum Start der neuen Bundesregierung - geht das Amt an die CSU über, nun ist CSU-Mann Dobrindt Innenminister.
Auch wenn es so wirken könnte, als sei dies eine "Weisung" der SPD-Innenministerin: Diese Vermutung wäre falsch. Der Verfassungsschutz arbeitet unabhängig und trifft Entscheidungen eigenständig. Darauf wurde auch in diesem Fall verwiesen.
Die Hochstufung selber kam zudem wenig überraschend. Vor einem Jahr hatte das Oberverwaltungsgericht in Münster in einem wegweisenden Urteil final entschieden, dass die AfD als "Verdachtsfall" eingestuft werden darf. Schon damals hatte der Verfassungsschutz daraufhin eine Neubewertung angekündigt. Die Richter hatten zudem deutlich festgestellt, dass es rechtsextremistische Tendenzen in der Partei gibt.
Was kann der Verfassungsschutz jetzt mit der AfD machen?
Nach seiner "Stillhaltezusage" vom Donnerstag darf der Verfassungsschutz die AfD bis zum Gerichts-Urteil nicht als gesichert extremistische Bestrebung beobachten. Die Beobachtung der Partei erfolgt bis zu einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Köln weiter als Verdachtsfall - hier liegt die Hürde für den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln höher.
Als "rechtsextremer Verdachtsfall" konnte die Partei aber auch bereits vor der Hochstufung durch den Verfassungsschutz beobachtet werden - sei es durch Sammlungen von Informationen aus Tagesmedien oder einzelner Informationen aus der Partei.
Was heißt die Einstufung für die Partei im Bundestag?
Für die Bundestagsmitglieder der Partei zunächst einmal nichts. Sie haben - sofern nicht aufgehoben - Immunität, also den Schutz vor Strafverfolgung und damit auch vor der geheimdienstlichen Überwachung. Maximal dürfen also Sammlungen aus bereits vorhandenen oder frei zugänglichen Quellen erstellt werden.
Anders sieht das jedoch für die Mitarbeitenden der Fraktion aus. Die können bei einer solchen Einstufung grundsätzlich, wenn der Anlass besteht, einfacher beobachtet werden. Dass dadurch auch weitreichende Erkenntnisse über die Arbeit der Fraktion erlangt werden, ist damit so gut wie sicher. Im Umkehrschluss bedeutet das aber für die Abgeordneten, dass ihre Arbeit schwerer wird.
Was bedeutet die Hochstufung für die Partei in NRW?
Der Landesverband ist aktuell nicht als rechtsextremistisch eingestuft. Das galt beim Landesverfassungsschutz bisher nur für die inzwischen aufgelöste Jugendorganisation der AfD, "Junge Alternative" (JA). Eine Hochstufung auch in NRW ist nun allerdings wahrscheinlicher geworden. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sieht in der neuen Einschätzung des Bundesverfassungsschutzes ein wichtiges Signal: "Die AfD missachtet objektiv überprüfbar, was unser Land ausmacht: unsere freiheitliche demokratische Grundordnung", sagte Reul am Freitag (02.05.2025) auf Anfrage.
AfD-Landeschef Martin Vincentz bezeichnete die Entscheidung dagegen als "grotesk". Es gebe für ihn keine Anhaltspunkte für diese Entscheidung. Er rechne auch nicht damit, dass die AfD in NRW jetzt hochgestuft wird. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte, so Vincentz auf WDR-Nachfrage.
Allerdings dürfte die Entscheidung intern ganz andere Folgen haben. So könnte ein neuerlicher Machtkampf in der Partei noch mehr Fahrt aufnehmen. Vincentz versucht die AfD im Land auf einem nationalkonservativ-bürgerlichen Kurs zu halten.
Sein Widersacher Matthias Helferich sieht das anders. Der Dortmunder Bundestagsabgeordnete ist aus dem ultrarechten Lager der Partei. Er sieht den "pseudo-bürgerlichen Kurs von Martin Vincentz" als gescheitert an. "Der politische Kampf gegen den Verfassungsschutz als Willkürbehörde hat sich als richtig erwiesen", schreibt Helferich dem WDR. Damit dürften neue Lagerkämpfe im größten AfD-Landesverband programmiert sein.
Was bedeutet das für einfache AfD-Mitglieder?
Auch sie könnten vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Besonders heikel ist die Hochstufung jedoch für Beamte und Beamtinnen. Da der Verfassungsschutz in der AfD eine verfassungsfeindliche Organisation sieht, stehen mögliche Parteimitglieder im Staatsdienst vor Problemen. So leisten Lehrerinnen, Polizistinnen, Richter und auch JVA-Beamte einen Eid auf das Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Daher kann eine AfD-Mitgliedschaft auch dienstrechtliche Konsequenzen haben.
Hat die Einstufung Einfluss auf ein Verbotsverfahren?
Die Forderung nach einem Verbot hat neue Nahrung erhalten. Aus dem Landtag in NRW sind auch schon entsprechende Forderungen zu hören. Der SPD-Fraktionschef und Oppositionsführer Jochen Ott hält dieses Verfahren für immer wahrscheinlicher. "Es vergeht keine Plenarwoche, in der aus der AfD-Fraktion keine menschenverachtenden, rassistischen oder demokratiefeindlichen Angriffe kommen", erklärte Ott.
Die Fraktionschefin der kleineren NRW-Regierungspartei, der Grünen, Verena Schäffer sieht die Zeit für ein Verbotsverfahren auch gekommen. "Seit Jahren radikalisiert sich die AfD immer weiter, hält enge Kontakte zu gewaltbereiten Neonazis und vertritt menschenverachtende und demokratiefeindliche Positionen", sagte Schäffer.
Allerdings ist ein Verbotsverfahren aktuell erst einmal vom Tisch. Das müsste entweder die Bundesregierung, der Bundesrat oder der Bundestag auf den Weg bringen. Union und SPD hatten sich in ihren Koalitionsverhandlungen nicht darauf verständigt, einen Verbotsantrag zu stellen. Damit gibt esderzeit keine ausreichende Mehrheit für ein solches Verfahren.
Wie reagierte die AfD auf die Einstufung?
Die Partei hat gegen die Hochstufung am Montag (05.05.2025) eine Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht, wie eine Gerichtssprecherin bestätigte. Der weitere Verlauf wird wahrscheinlich auch wieder vor NRW-Gerichten stattfinden. Das liegt daran, dass der Bundesverfassungsschutz seinen Sitz in Köln hat. Deshalb wird vor dem Verwaltungsgericht in Köln zuerst entschieden. Die letzte inhaltliche Instanz könnte dann - wie schon vor einem Jahr - das Oberverwaltungsgericht in Münster sein.
Die AfD war bereits juristisch gegen die vorausgegangene Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall vorgegangen, damit aber vor dem Verwaltungsgericht Köln und dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster gescheitert.
Was passiert jetzt mit AfD-Mitgliedern, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind?
"Wir werden auch prüfen, inwieweit die Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz Auswirkungen auf AfD-Mitglieder und Funktionäre im öffentlichen Dienst hat", zitiert der Hessische Rundfunk den hessischen Innenminister Roman Poseck (CDU). Mitarbeiter in Polizei und Verwaltung müssten die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten.
Demnach plädiert Poseck für ein länderübergreifend einheitliches Vorgehen. "Deshalb werde ich das Thema kurzfristig zum Gegenstand der nächsten Innenministerkonferenz im Juni in Bremerhaven machen."
NRW-Innenminister Herbert Reul (ebenfalls CDU) hat sich am Samstagabend (03.05.2025) im WDR dazu geäußert, welche Konsequenzen die Hochstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch für AfD-Mitglieder im Staatsdienst haben sollte. Einfach aus dem Dienst entfernen könne man AfD-Mitglieder nicht, sagte Reul. Es müsse im jeden Fall nachgewiesen werden, dass die Person ihre Treuepflicht gegen den Staat verletzte habe.
Kommentare zum Thema
Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)
..... meine Güte, legt die doch endlich auf Eis.
Manche Aussagen finde ich gar nicht so verkehrt.