Der Staatsschutz wühlt sich nach eigenen Angaben seit Wochen durch 1,2 Gigabyte an Fotos, Videos, Dateien. Auf den Datenträgern, speziell einer Festplatte, fanden sich laut Gericht jetzt zahlreiche verzweigte Unterverzeichnisse. Dazu komme die Auswertung einer Google-Cloud.
Das alles wurde mit einer Fragestellung durchsucht: Hat der 40-jährige Angeklagte aus rassistischen Motiven gehandelt, als er mindestens einen Liter Benzin im Treppenhaus des Solinger Mehrfamilienhauses in Brand setzte? Eine vierköpfige junge Familie aus Bulgarien kam dabei ums Leben.
Bilder gehörten nicht dem Angeklagten
Die Antwort nach dem heutigen Prozesstag: Wahrscheinlich nicht. Denn die 166 Fotos, auf denen Nazi-Karikaturen und Darstellungen zu sehen sind, gehören laut Staatsschutz nicht dem Angeklagten.
Die Polizei hatte auch zuvor keinerlei Verbindungen ins rechtsradikale Milieu gefunden. Im Zuge der Daten-Auswertung könne man diese jetzt einem Mann zuordnen, der selbst im Prozess keine Rolle spielt.
Dass die Fotos auf die Festplatte kamen, soll mehrere Jahre her sein, der Mann habe ein Handy darauf synchronisiert. Die Besitzerin der Festplatte wiederum ist die Lebensgefährtin des Angeklagten. Sie hatte im Prozess gesagt, dass sie die Bilder nicht kenne.
Mehr Aufschluss im Juni?
In der vergangenen Woche habe jener Mann bei der Polizei dazu ausgesagt, im Juni soll er das auch im Prozess tun. Am Montag war nur zu hören, er habe gesagt, die Dinge auf der Festplatte seien aus "Techno-Zeiten, die bei ihm lange zurück" lägen.
Dass die Nazi-Darstellungen und das mögliche rassistische Motiv des Angeklagten überhaupt im Prozess eine große Rolle spielen, ist vor allem Seda Basay-Yildiz zu verdanken. Die Anwältin vertritt eine junge Familie, die Nebenkläger im Prozess ist. Diese hatte sich bei dem fatalen Brand nur mit einem lebensgefährlichen Sprung aus dem dritten Stock retten können.
Solinger Brandanschlag: Spekulationen um Motiv. WDR Studios NRW. 12.05.2025. 00:51 Min.. Verfügbar bis 12.05.2027. WDR Online.
Langes Verfahren - feststehendes Urteil
Basay-Yildiz hatte auf die NS-Darstellungen aufmerksam gemacht und weitere gefunden. Sie bemängelte heute, dass nicht geklärt sei, wer noch und wann Zugriff auf die Festplatte hatte.
Alle fünf Anwälte der Überlebenden und Hinterbliebenen im Prozess um den Brandanschlag von Solingen werfen der Polizei schwere Versäumnisse bei den Ermittlungen zur Tat vor. Schon wenige Tage nach der Tat hätten Ermittler die Tat als rechts motiviert eingestuft. Dies sei aber wie andere wichtige Erkenntnisse nicht in die Gerichts-Akten gelangt. Die Anwälte fordern die Polizei auf, jetzt alle Ermittlungsergebnisse den am Prozess Beteiligten zugänglich zu machen.
Darum soll es nun an den weiteren Prozesstagen gehen. Zwölf weitere hat das Gericht bis Ende Juli angesetzt - in der Hoffnung, nicht alle zu brauchen.
Protest der Nebenklage-Anwälte
Nach dem letzten Prozesstag am Montag (12.05) machten sich die Nebenklage-Anwälte mit einer eigens aufgesetzten Presseerklärung Luft. Darin fordern sie von der Polizei "endlich und vollständig, alle Ermittlungsergebnisse vorgelegt zu bekommen". Das sei bis jetzt nicht der Fall. Beispiel: Der Vermerk eines Ermittlers, entstanden kurz nach der Tat. In diesem habe die Polizei die Tat als "rechts motiviert" eingestuft, was dann aber handschriftlich geändert worden sei. Mit der Folge, dass der Vermerk deswegen nicht in den Gerichtsakten landete.
Die Anwälte wörtlich: "Mit der bisherigen Salamitaktik wird das Verfahren durch die Ermittlungsbehörden hingegen zeit- und kostenintensiv verzögert, wodurch bisher der rechtspolitisch verheerende Eindruck erweckt wird, dass eine vollständige Aufklärung der Hintergründe der Tat nicht gewünscht ist.“ Die Anwälte wollen sich auch gegen den Vorwurf wehren, sie seien es, die mit immer neuen Anträgen den Prozess verlangsamen würden.
Urteil abzusehen
Das Urteil scheint bereits festzustehen. Denn auch die Verteidiger gehen davon aus, dass ihr Mandant zu lebenslanger Haft, mit besonderer Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt werden wird.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter am Gericht
- Presseerklärung der Nebenkläge-Anwälte