
Duisburger Verein kämpft für Bleiberecht von afghanischen Jugendlichen
Stand: 14.05.2025, 12:30 Uhr
Für Betreuer, Lehrer und Freunde sind Moheb Rashidi und Khairullah Rezai ein Musterbeispiel für den Willen, sich zu integrieren. Doch zu ihrem 18. Geburtstag bekamen sie Post vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, sie sollen das Land innerhalb einer Woche verlassen.
Von Jessika Westen
In den Räumen des Duisburger Vereins Sidekick e.V., der sich für geflüchtete Jugendliche einsetzt, wird es voll. Im Minutentakt geht die Tür auf. Herzliche Umarmungen. "Wir müssen das verhindern. Gut, dass Ihr was tut", sagt eine Frau. Es ist Jutta Messer, die Klassenlehrerin des 18-jährigen Moheb Rashidi. Sozialarbeiter Ali Bolori hat zum Netzwerktreffen eingeladen, um darüber zu beraten, wie für Rashidi und den ebenfalls 18 Jahre alten Khairullah Rezai ein Bleiberecht erkämpft werden könnte. Über 20 Personen sind dem Aufruf gefolgt. Auch die jungen Männer sind anwesend. "Ich bin sehr froh, dass uns so viele Menschen helfen wollen", sagt Rezai.
Mit diesem Video will der Verein auf das Schicksal von Khairullah Rezai aufmerksam machen
00:18 Min.. Verfügbar bis 14.05.2027.
Beide haben unmittelbar nach ihrem 18. Geburtstag Post vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bekommen, mit der Aufforderung, das Land zu verlassen. "Ich konnte das zuerst gar nicht glauben", erzählt Moheb Rashidi. "Und als ich dann realisiert habe, dass mein Asyl-Antrag wirklich abgelehnt wurde und ich zurückmuss, habe ich große Angst bekommen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass all meine Mühe, nach Deutschland zu kommen und hier Deutsch zu lernen, umsonst gewesen sein soll und dass damit all meine Pläne für die Zukunft vernichtet sind."

Viele Menschen sind zum Netzwerktreffen gekommen und wollen helfen
Rashidi und Rezai gehen seit August auf das kaufmännische Berufskolleg Duisburg-Mitte. "Sie sind so engagierte Schüler", sagt Klassenlehrerin Jutta Messer. Das Schicksal der Jungs fasst sie sichtbar an. "Das sind einfach gute Menschen. Die sind so hilfsbereit, alle mögen sie und das haben sie einfach nicht verdient. Das geht an uns Lehrern auch nicht spurlos vorbei", seufzt sie.
Traumatische Erlebnisse in Afghanistan und auf der Flucht
Die beiden jungen Männer sind über die Balkanroute nach Deutschland gekommen. Sie waren mehrere Monate unterwegs, haben teilweise wochenlang in Wäldern geschlafen. Beide sind traumatisiert, bestätigen betreuende Psychologen.

Über seine Erlebnisse auf der Flucht spricht Khairullah Rezai kaum
Khairullah Rezai hat sich erst nach Monaten geöffnet und erzählt, dass er von den Taliban misshandelt wurde. "Wir wissen nicht genau, was passiert ist. Klar ist, er musste Frauenkleider tragen und tanzen. Wir gehen davon aus, dass er in diesem Zusammenhang auch sexuell missbraucht wurde. Wenn er darüber sprechen muss, bricht er in Tränen aus", erzählt Sozialarbeiter Boluri. Das Problem: Aus Scham hat der Jugendliche diese Erlebnisse nicht dem BAMF mitgeteilt.
"Integrationsleistungen haben keinerlei Einfluss auf das Asylverfahren"
Auf WDR-Anfrage teilt die Behörde uns mit, "dass Integrationsleistungen keinerlei Einfluss auf das Asylverfahren haben und hier auch nicht berücksichtigt werden dürfen. Im Asylverfahren dürfen ausschließlich Umstände berücksichtigt werden, die eine mögliche Verfolgung oder Gefährdung im Herkunftsland begründen können."
Laut BAMF lebten Ende 2023 etwa 476.000 Menschen mit Einwanderungsgeschichte aus Afghanistan in Deutschland, etwa 375.000 Personen sind selbst eingereist. 2024 haben 34.149 Afghanen zum ersten Mal einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Rund 252.000 sind anerkannte Flüchtlinge. Die Zahl der Asylanträge von afghanischen Staatsbürgern ist seit der Machtübernahme der Taliban 2021 deutlich gestiegen.
Kein gültiger Aufenthaltsstatus
Da Afghanistan kein sicheres Herkunftsland ist, werden aktuell nur Straftäter dorthin abgeschoben. Khairullah Rezai und Moheb Rashidi haben keinerlei Straftaten begangen und müssen daher nach aktuellem Stand nicht damit rechnen, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Sie haben mit der Ablehnung ihrer Asylanträge aber auch keinen gültigen Aufenthaltsstatus und sind damit nach geltendem Recht dazu verpflichtet, das Land zu verlassen.
Klassenlehrerin Jutta Messer (rechts) kann nicht glauben, dass ihre beiden Schüler das Land verlassen sollen
00:25 Min.. Verfügbar bis 14.05.2027.
Eine Möglichkeit, hier bleiben zu dürfen, wäre über einen Ausbildungsplatz. Doch sowohl Rashidi als auch Rezai konnten weder lesen noch schreiben, als sie nach Deutschland kamen. "Sie mussten hier erstmal alphabetisiert werden. Ich denke aber, dass sie es trotzdem schaffen können, kommendes Jahr einen Hauptschulabschluss zu machen. Sie lernen viel und haben gute Noten", erzählt ihre Lehrerin.
Zukunftspläne in Deutschland
Rashidi würde gerne Autolackierer werden. Rezai träumt von einem eigenen Friseursalon. Schon in Afghanistan hat er Haare geschnitten. Hier würde er gerne eine Ausbildung und seinen Meister machen. "Ich werde mich anstrengen und hoffe, dass es klappt. Ich würde lieber sterben, als zurück nach Afghanistan zu gehen", sagt er.
Über dieses Thema berichten wir voraussichtlich auch am 20.05.2025 im WDR-Fernsehen: Lokalzeit Duisburg, 19.30 Uhr.